Silvia Bovenschen

Die imaginierte Weiblichkeit
Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen

edition Suhrkamp, 1997, 3. Aufl. 2016

„Die Geschichte der Bilder, der Entwürfe, der metaphorischen Ausstattungen des Weiblichen ist ebenso materialreich, wie die Geschichte der realen Frauen arm an überlieferten Fakten ist.“ (S. 11)


Silvia Bovenschen liefert in ihrem Buch eine umfängliche und präzise, obwohl ‚exemplarisch‘ genannte, Untersuchung der Vorstellungen vom Weiblichen und den damit konservierten Rollenbildern seit dem 18. Jahrhundert, in dem Frauen erstmals im literarischen Betrieb auftauchen und zu einer gewissen Anerkennung gelangten. Zu den neuzeitlichen Versuchen der Frauenbewegung, eine eigene (d.h. der Frauen), Kultur-, Kunst- und Literaturgeschichte aus den vereinzelten historischen Beispielen zu rekonstruieren – oder überhaupt zu konstruieren, benennt und beantwortet sie die (bekannte) Problematik eines solchen Unterfangens:
„Da die Frauen in den Dokumentationen der politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Entwicklungsprozesse keine Spuren hinterließen, da aber zugleich der ihnen zugestandene Bereich des häuslichen Alltags historisch nicht sehr beredt ist […] muss die Forschung andere Diskurse aufsuchen. So scheint zum Beispiel der literarische Diskurs einer der wenigen zu sein, in denen das Weibliche stets eine auffällige und offensichtliche Rolle gespielt hat.“ [Aber] „Es ist wiederum nur ein Moment des Literarischen in dem das Weibliche diese Bedeutung erhalten konnte: nur in der Fiktion, als Ergebnis des des Phantasierens, des Imaginierens, als Thema ist es üppig und vielfältig präsentiert worden […]“ S. 11

[Heute, über 20 Jahre nach Erstveröffentlichung von Bovenschens Buch, scheint mir der Begriff ‚Frauenbewegung‘ altbacken; wir würden heute wohl schlicht vom Feminismus sprechen. Der von Bovenschen erwähnte Versuch der Frauenbewegung, eine Kunstgeschichte der Frauen auch retrospektiv zu entwickeln, zeigt sich aber nach wie vor in den vielen Austellungen der vergangenen 10 Jahre, welche Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts aus relativer Versenkung an Licht geholt haben. Wie wichtig jedoch Bovenschens Untersuchungen der Literatur insbesondere des 18. Jahrhunderts zu den verdeckten Vorstellungen von Weiblichkeit heute sind, sehe ich an der anhaltenden Wirkmacht dieser Vorstellungen; denn in den meisten dieser Ausstellungen heute, wird die Künstlerin als Ausnahmekünstlerin gefeiert; – also nach wie vor als Extra, Minderheit, oder Mangel- und Ergänzungswesen definiert – und in logischer Folge wird die Kunst relativiert. Die vorgegebene Objektivität gründet also noch immer in tradierten Rollen und Denkmustern.]

I. Schattenexistenz und Bilderreichtum
– Zur Struktur kultureller Repräsentanzen des Weiblichen

1. Reduktionstheorien

„Es gibt, strenggenommen, keine ‚Frauenfragen‘.“

Die simple Umkehrung, alle nicht explizit den Frauen zugeordneten Diskurse zu ‚Männerfragen‘ zu erklären, wie vom Feminismus oft polemisch praktiziert, macht darauf aufmerksam „…daß Probleme, über deren Tragweite und Bedeutung wissenschaftlicher Konsens besteht, nur scheinbar frei sind von geschlechtsspezifischen Parteilichkeiten, in Wahrheit jedoch, jedenfalls einer These Georg Simmels zufolge, in der Verabsolutierung ‚männlicher‘ Interessen gründen: “Die künstlerische Forderung und der Patriotismus […], die Gerechtigkeit des praktischen Urteils und die Objektivität des theoretische Erkennens […] – all diese Kategorien sind zwar gleichsam ihrer Form und ihrem Anspruch nach allgemein menschlich, aber in ihrer historischen Gestaltung durchaus männlich.” {Georg Simmel, Zur Philosophie der Geschlechter, 1911}“ (S. 19)

”Daß man an eine, nicht nach Mann und Weib fragende, rein ‚menschliche‘ Kultur glaubt, entstammt demselben Grunde, aus dem sie nicht besteht: der sozusagen naiven Identifikation von ‚Mensch‘ und ‚Mann‘.“ {Georg Simmel, Weibliche Kultur, 1911} (S.24)

Zu der Behauptung innerhalb der ‚großen‘ Diskurse des Denkens, es „kenne keine Geschlechter mehr, nur noch Menschen“, schreibt Bovenschen, dass sein „versöhnlicher Schein weitaus gefährlicher ist, als die offene Misogynie, denn er hebt, wie Simmel schreibt, ”die männlichen Wesensäußerungen […] in die Sphäre einer überspezifischen neutralen Sachlichkeit und Gültigkeit.“ {Georg Simmel, Zur Philosophie der Geschlechter, 1911}“ (S. 20) Bovenschen macht es sich in ihrem Buch zur Aufgabe, die meist implizite (und selten explizite Thematisierung des Weiblichen bzw. des „Geschlechtergegensatzes“ in insbesondre jenen Schriften der Philosophen und Theoretiker des 18. Jahrhunderts (Kant, Rousseau, Schiller, Schopenhauer etc.) aufzuspüren, die sich nicht explizit damit beschäftigen und diese Vorstellungen in die „Landkarte der Ideengeschichte“ einzutragen. Sie fordert hier insbesondere auch diese geschlechtsspezifischen Positionen in den Kontext des Werks zu setzen, die kulturgeschichtlichen Präsentationsformen des Weiblichen aufzudecken und dem Reduktionismus, der dem Begriff der ‚Frauenfrage‘ zugrunde liegt, damit systematisch entgegenzuwirken.

2. Ergänzungstheorien

„Die scheinneutralen Theorien müssen, nach Simmel, zu einer negativen Bestimmung der weiblichen Kulturleitungen deshalb kommen, weil von ihnen ”ein Wesen nach Kriterien beurteilt wird, die für ein entgegengesetztes kreiert sind.““ (S. 24 f.)

„…der Jahrtausende währende Prozess der Subordination des einen Geschlechts unter das andere“, führt nach Simmel zu einer „Transformation gleich der von ”Macht in Recht“, die zur Verabsolutierung der männlichen Interessen und Ansprüche in der Kulturgeschichte geführt hat“ (S. 25)

Georg Simmels für seine Zeit erstaunlich gründliche und vor allem unparteiliche Analyse der Geschlechter-Polarität

„Simmel beschreibt eine Setzung: neben das System der bestehenden normativen Maßstäbe der kulturellen Wertung wird ein zweites gestellt, nun in spezieller Ausformung für das Weibliche. Dieses zweite Normungefüge existiert jedoch keineswegs gleichberechtigt neben und mit dem ersten, sondern erfüllt eine abhängige Nebenfunktion – es ist ein Ableger.“ (S. 26) Eine „Appendixkonstruktion“ bzw. Ergänzungstheorie (Hedwig Dohm).

„Die Frauen sollen die Männer ergänzen, allerdings nicht in dem Sinne, dass sie ihren Interessen und Lebenszusammenhängen adäquate Inhalte und Formen in das öffentliche Leben einbringen, sondern indem sie das einzelne männliche Individuum stützen, abschirmen, indem sie ‚drinnen walten‘ und bestimmte Sektoren – speziell den des Hauses – so strukturieren, dass der Mann zur materiellen und geistigen Produktion freigesetzt ist.“

Umfangreich wird von Bovenschen Material zusammengetragen, in welchem die männlichen Autoren das polare Geschlechterverhältnis zu erklären und rechtfertigen suchen. Denn die Bedeutung imaginierter Weiblichkeit, also Vorstellungen der Phantasie, in der Kunst steht in auffälligem Gegensatz zu der Abwertung geistiger und künstlerischer Produktion von Frauen und ihrem Ausschluss von der Teilhabe. Zur Begründung kommt die „Natur“ ins Spiel, und in endlosen Varianten erfolgt eine Zuordnung der Frau zur Natur, Erde, Instinkt, Gefühl, Liebe, und darin ihre Nähe zum noch ungebildeten Kind. Für sie wird eine Ganzheitlichkeit behauptet, die folglich keiner Entwicklung bedarf. Der Gegenpol Mann wird als durch Individuation und Kultur sozialisiertes, strukturiertes Wesen aufgebaut, das aber von sich selbst entfremdet, des ergänzenden Ausgleichs durch die Frau bedarf. [Die Betonung der weiblichen Liebesfähigkeit kann man heute als Suggestion und Manipulation der Frauen mit dem Ziel des Fortbestehen der Ungleichheit auffassen.] Die Geschlechterpolarität wird metaphysisch als höhere Ordnung dargestellt, und die Arbeitsteilung welche Voraussetzung der effizienzbasierten bürgerlichen Erwerbsgesellschaft ist, wird in unzulässigem Umkehrschluss mit Natur und Neigung begründet. Die gleichzeitige Verdopplung des Wertesystems in männliche Leistung und weiblichen Naturzustand, wird durch die Vermischung und Vertauschung von künstlerisch aufgewerteten imaginierten Weiblichen und realer Erscheinungsform verborgen.

Wenn vom Weiblichen die Rede ist, so nicht jedoch von den realen Frauen: „Die beständige Beschwörung weiblicher Naturpotenz verrät eine Verschiebung. Die Sehnsucht nach der Versöhnung mit der Natur [während der beginnenden Industrialisierung], nach einem nichtentfremdeten Dasein wird, ideologisch verzerrt, auf das Weibliche projiziert.“ (S. 32)

„Die Morphogenese der imaginierten Weiblichkeit schiebt sich im Rückblick an die Stelle der weiblichen Geschichte. Die Grenzen zwischen Fremddefinition und eigener Interpretation sind nicht mehr auszumachen. Der Reichtum der imaginierten Bilder kompensiert scheinbar die Stummheit der Frauen. […] Meist jedoch blieb das Schweigen der Frauen unbemerkt, es wurde zugedeckt vom Lärm der nie unterbrochenen stellvertretenden Rede über das Weibliche.“ (S. 40 f.)

„Wenn der Begriff des Weiblichen im Wesentlichen strukturiert ist durch jene projizierten Ergänzungsbestimmungen, dann ist es durchaus möglich, daß die Imaginationen der Autorinnen, die sich an ihr eigenes Geschlecht heften, selber eine Spiegelung dieser Projektionen sind. Denn das Bild der Frau von der Frau besteht keineswegs unabhängig von jener gigantischen, jahrhundertelang angereicherten Bildergalerie des Weiblichen, die mit den ästhetischen Objektivationen und den Trivialmythen bestückt ist.“ (S. 42)

II Die tugendhafte Vernunft und die natürliche Tugend
– Zur Geschichte der kulturellen Repräsentanzen des Weiblichen

A. Kulturelle Stereotypien als methodisches Problem

„Im großflächigen geschichtlichen Vergleich über die Jahrhunderte hin schrumpfen die publizistischen Gefechte um dieses Thema, wenn man sie allein unter dem Aspekt der offenen Argumentation für oder gegen die Frauen betrachtet, auf ein kleines Bündel von relativ stereotypen Stellungnahmen zusammen.“ (S. 65)

„Da ist kein Anfang und kein Ende abzusehen. Das aber, was die Geschichte ausschnitthaft preisgibt, ist ausgezeichnet durch die Struktur einer kollektiven Amnesie und einer argumentativen Redundanz.“ (S. 67)

Eine der langlebigsten Stereotypien ist die Gleichsetzung des Weiblichen – konkret als ‚der Frau‘ mit einem Rätsel. Für die Frauen existiert dieses Rätsel nicht, „[…] es bezeichnete das jeweils unbestimmte ‚Andere‘, das Mangelnde, eine leere Hülse. Das derart in Sphinx-Bilder und Rätsel-Metaphern eingebundene Weibliche entsteht möglicherweise erst im Vorgang des Grübelns, des Wünschens, des Phantasierens.“ (S. 69)

Auf die These Hans Mayers, in der Aufklärung hätte in logischer Folge der Egalitätsmaxime auch die Gleichheit der Frauen einen Höhepunkt erreicht, und diese umfängliche Egalitätsmaxime sei erst im weiteren historischen Verlauf in einer Gegenaufkärung wieder unterminiert worden, entgegnet Bovenschen, diese „hält nicht stand vor der Tatsache, daß das Postulat der Gleichheit aller Menschen, wie es das ‚aufgeklärte‘ Denken hervorbrachte, keineswegs selbstverständlich die Maxime einer Gleichheit von Mann und Frau einschloß.“ (S. 70)

[Bekannt ist die Forderung nach Gleichstellung der Frauen im Zuge der Französischen Revolution und die brüske, empört-spöttische Zurückweisung durch die Jakobiner]

Kants Schrift zur Ehe als vermeintliches Beispiel eines egalitären Beziehungsmodells: Hier wird auf seine Ausführung Über den Gemeinspruch verwiesen, in welchem eine Gleichheit ‚als Untertan‘ konzipiert ist, nicht jedoch jeder ein selbstständiges rechtliches Subjekt (also ein Bürger) sei: “die dazu erforderliche Qualität ist, außer der natürlichen (daß es kein Kind, kein Weib sei), die einzige: daß er sein eigener Herr (sui juris) sei, mithin irgendein Eigentum habe (wozu auch jede Kunst, Handwerk oder schöne Kunst gezählt werden kann.“
„Jürgen Habermas hat darauf hingewiesen, daß diese Sätze die rigide Ausgrenzung derjenigen bedeuten, die später Lohnabhängige genannt werden sollten – daß mit dieser Definition des Bürgers allein der gütertauschende Privateigentümer gemeint sein konnte. Es ist hinzuzufügen, daß den Frauen sogar dieser Status explizit – sie verbleiben auf dem Niveau des Kindes […] – versagt wurde, und zwar aufgrund ihrer natürlichen Qualität. d. h. keine ’schöne Kunst‘ oder Wissenschaft kann sie in den Zustand der ‚Selbstständigkeit‘ versetzen.“ (S. 72)

Zu Schillers heroischen Frauenfiguren: Die politisch agierenden Frauengestalten gehören fast ausschliesslich dem Adel an, in den bürgerliche Dramen gilt mehr Zurücknahme für die Frauen. Auch in Schillers Schriften z.B. Über die notwendigen Grenzen beim Gebrauch schöner Formen oder in Über naive und sentimentalische Dichtung: „In diesen Texten werden den realen Frauen im wesentlichen passive und rezeptive Eigenschaften zuerkannt; die weiblichen Entwicklungsmöglichkeiten erscheinen bestimmt durch eine hohe Fähigkeit zur Empfindung und eine ebenso beträchtliche Unfähigkeit zur intellektuellen Abstraktion. Mit anderen Worten, es handelt sich auch hier nur um eine Hypostasierung eines Mangels (denn der Mann kann zu einer glücklichen Verbindung beider Momente gelangen), zu einer qualitativ bestimmten Ungleichheit.“ (S. 75)

Das ‚weibliche‘ 18. Jahrhundert bot tatsächlich zeitweilig erweiterte Spielräume für die weibliche Kreativität und die Imagination des Weiblichen durch bürgerliche Literaturinstitutionen, Salons, und innovative Formen wie den Briefroman. In der Realität hat aber damit keinesfalls Gleichheit bestanden. Die Frühaufklärung mit Gottsched hatte zwar ein ernsthaftes Bemühen um egalitäre Bildung und literarische Betätigung der Frauen gezeigt, konnte aber keine Nachhaltigkeit entwickeln und war hundert Jahre später vergessen.

B. Die ‚weibliche Gelehrsamkeit‘ und die gelehrten Frauen

„Das Lob der Frauen, die Reverenzen und die Schmähungen an die Adresse des Weiblichen zentrieren sich in den Überlieferungen des 18. Jahrhunderts um zwei exponierte Bestimmungen: die Gelehrsamkeit und die Empfindsamkeit.“ (S. 80)

Die weibliche Gelehrsamkeit ist der dabei der ältere Entwurf, verkörpert von einigen wenigen Vertreterinnen, die sich über ihre Daseinszuweisungen virtuos und allgemein bestaunt erhoben haben. Das frühaufklärerische Programm, welches die Frauen zur Gelehrsamkeit ermunterte, hatte dabei weniger die freie Geistesentwicklung im Sinn, als den reglementierenden Auftrag Unmoral und Laster mit der gelenkten Vernunft zu begrenzen. [Solche moralischen Utopien sind typisch für Situationen gesellschaftlichen Wandels und Umbruchs. Der Übergang von feudaler zu bürgerlicher Ordnung erzeugte an den Bruchstellen verschiedenste Freiräume, welche schnellstmöglich von den vorherrschenden Interessengemeinschaften geschlossen werden.] So konnte die gelehrte Frau durchaus zum Ideal eines Kulturprogramms werden, jedoch nicht zum Objekt ästhetischer Phantasieproduktion. Hier bot der Typus der Empfindsamen mehr Stoff zur Imagination. „Die Gelehrte wurde zum Kulturtypus, jedoch nicht zur Repräsentationsfigur des Weiblichen in der Literatur – nicht zum Literaturtypus. […] Das Bildrepertoire herausragender weiblicher Kunstfiguren ist zu der Zeit, da man die Gelehrsamkeit der Frauen pries, sehr klein, so als hätte das alltägliche Vorurteil, daß ein hohes Maß an Intelligenz bei Frauen notwendig mit dem Verlust ihrer geschlechtsspezifischen Attraktivität einhergehe, sich durch alle Zeitläufe gerettet.“ (S. 81)

„Der Spuk einer schlecht domestizierten, die rationalistischen Konzepte gefährdenden Weiblichkeit verschwand jedoch nicht wirklich, er lebte untergründig fort, und die Literatur der ‚Schwarzen Romantik‘ wurde geradezu zu einem Tummelplatz solcher weiblicher Spukgestalten […]“ (S. 82 f.)

Das Leben der Anna Maria Schürmann – Paradigma eines Kulturtypus:

„Faktisch verdankte sich dieses ‚Wunder der Gelehrsamkeit‘ einer bildungsgeschichtlichen Interimsperiode: der Aufschwung einer der Autorität der Vernunft verpflichteten Bildungsemphase beförderte in jener kleinen Schicht des gelehrten Bürgertums eine Toleranz, die jedenfalls nicht jedes Symptom weiblichen Wissensdurstes schon im Ansatz erstickte. Und – eine weitere wichtige Voraussetzung – die Aneignung des Wissens war auch für die Knaben noch nicht weitgehend institutionalisiert, d.h. die Unterrichtung fand durch Privatlehrer im Hause statt. Die Töchter hörten oftmals den Lektionen hier Brüder zu […] . Es gehört zu den historischen Disparitäten, die das Kulturschicksal der Frauen prägen, daß ein vermeintlich fortschrittliches Moment wie die Institutionalisierung der Ausbildung – ihre Ausgliederung aus dem Haus – den Frauen zum Nachteil gereichte, da damit die Partizipationsgelegenheiten wegfielen, an deren Stelle aber keine neuen Einrichtungen geschaffen wurden.“ (S. 91)