Klaus Theweleit: Männerphantasien

2. Auflage 2020, Matthes & Seitz, 1278 Seiten.

Klaus Theweleits Männerphantasien, erstmals in den 1970er Jahren (1977/1978) erschienen und seitdem weltweit rezipiert, ist eine große Untersuchung über die sexuelle, psychologische und soziopolitische Vorgeschichte des Nationalsozialismus in der Weimarer Republik. Das Werk, das für viele als Auftakt der Männerforschung in Deutschland gilt, ist längst zu einem Referenztext auch der Gewaltforschung geworden. Angesichts der Rückkehr rechten Straßenterrors und faschistischer Positionen, die manche schon an Weimarer Verhältnisse denken lassen, sowie von Propagandafeldzügen gegen freiere Sexualitäten sind die Analysen Theweleits noch brennender als zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung. (Klappentext 2020)

Theweleit über das Buch – aus dem Nachwort zur Neuausgabe (2018/2019):

Was das Buch behandelt:
„Sein Stoff: die sozialistischen Revolutionsversuche in Deutschland nach dem 1. Weltkrieg und ihre Niederschlagung durch Soldaten der sogenannten ‚Freikorps‘; durch Militär im Regierungsauftrag – in ‚Freikorps‘ organisiert, weil eine reguläre Armee dem deutschen Staat nach der Kapitulation der Monarchie nicht zur Verfügung stand und bald darauf durch den Versailler Vertrag nur in sehr eingeschränktem Maße. Die siegreichen Alliierten wollten ein entmilitarisiertes Deutschland nach dessen Niederlage in dem vom deutschen Kaiserreich vom Zaun gebrochenen Weltkrieg I. Die herrschende Regierung – ein SPD-Verein – brauchte aber Truppen zur Niederschlagung der (für sie) bedrohlichen räterepublikanischen (=bolschewistischen) Revolutionsversuche. Sie ermächtige die Freikorps zu deren Niederschlagung.“ (S.1209)

Männerphantasien unternimmt den Versuch, zu ergründen und zu beschreiben, warum es Körper gibt, überwiegend männliche Körper, die nicht leben können, d.h., die nicht atmen können, ohne irgendjemand oder irgendetwas aus dem Weg zu schaffen; zum Verschwinden zu bringen: zu beschreiben, worin dieser Beseitigungszwang in bestimmten Körpern besteht, wie dieser entsteht und diese Körper dann beherrscht.“ (S.1224f.)

Über die rassistische und faschistische Sprache der Freikorpssoldaten, zu der Theweleit belegt, dass sie sich nicht im geringsten von der „allgemein gebräuchlichen soldatischen oder auch der Sprache privater Briefeschreiber unterscheidet“ (…):

„Das Buch Männerphantasien liest solche Äußerungen durchweg nicht einfach als ‚Ansichten‘ oder ‚Ideologien‘ – da wären sie einfach nur indiskutabel und nur schwachsinnig -, sondern als Ausdruck von Körperzuständen. ‚Kultur‘ ist etwas hoch Stehendes – etwas, das den Körper dieses Kerls ausdrückt und zusammenhält; insbesondere wenn ihm noch ein Gewehr oder Granatwerfer dabei beisteht, zehnfach Unterlegenes (= ganz natürlich unten Liegendes) blutig unter die Erde zu bringen (= an den gehörigen Platz für solches Gesindel). Womit zugleich gesagt ist, dass ‚Kultur‘ etwas bezeichnet, das Frauen (ganz natürlich) nicht haben können. ‚Kultur‘ wie auch ‚Nation‘ in soldatischer Sprache sind hochstehend männliche Begriffe. In ihnen ist sowohl Rassismus wie die Unterlegenheit ‚des Weiblichen‘ mitgesagt, ohne dass dies extra formuliert werden müsste. Sie sind hierarchische Begriffe ; sind Wörter, die ganz selbstverständlich Herrschaftsmodalitäten ausdrücken.“ (S.1229f.)

Beitrag wird fortgesetzt.